Agave cerulata ssp. nelsonii (H. S. Gentry 1978)

 
 
 
Zum Vergrößern bitte auf das Foto klicken! - Alle Fotos Copyright V. + C. Kettinger
 
 

Beschreibung:

 

Synonyme: Agave cerulata var. nelsonii, Agave nelsonii, Agave shawii (wenn falsch angewendet im Sinne von E. C. Nelson);
Heimat: Mexiko; zentr. Baja California; in den Bergen östl. und nordöstl. von El Rosario (u. a. rund um die Mision de San Fernando (Sierra San Miguel), wo auch der Typstandort liegt), östl. ca. bis San Augustin und nordöstlich bis in die Umgebung von San Isidro (im südlichen Teil des Parque Nacional Sierra de San Pedro Matir) in ca. 140m-1120m Höhe; evtl. auch südl. und südöstl. von Catavina, sowie in der nördl. und zentr. Sierra San Borja (siehe unter den Bemerkungen hier und bei Agave cerulata ssp. cerulata);
Wuchsform: einzeln oder häufig sprossend und so (teils dichte) Gruppen mit bis zu 1,50m im Durchmesser bildend, Rosetten kompakt bis etwas ausgebreitet, oft schön symmetrisch, einen kurzen Stamm ausbildend, bis 50cm hoch und bis 75cm im Durchmesser; mit zahlreichen Blättern, diese von hellgrau bis (hell) (bläulich-)graugrün, meist länglich- bis dreieckig-lanzettlich (selten schwertförmig) (dabei 3x-6x so lang wie breit), oberhalb der Basis oft leicht verschmälert und die Spitze kurz spitz zulaufend, (schräg) aufrecht bis (ältere Blätter) ausgebreitet, meist gerade (oder leicht nach oben oder unten gebogen), meist leicht bis deutlich rinnig, steif, die fast geraden bis mäßig welligen Ränder alle 1cm-2cm mit bis zu 9mm großen, regelmäßig angeordneten, oft aus kleinen, warzenartigen Vorsprüngen entspringenden, (bräunlich-)grauen und zudem (insb. an älteren Blättern) mit einem braunen Ring nahe der Basis versehenen Randzähnen besetzt, in einen bis zu 4cm langen, pfriemlichen, nicht oder bisweilen auf der Oberseite deutlich eingekerbten, meist (bräunlich-)grauen Enddorn auslaufend, bis 40cm und bis 8cm breit;
Infloreszenz: rispig, schlank, die obere Hälfte mit 15-20 (schräg) aufsteigenden bis ausgebreiteten, geraden oder oft leicht bis deutlich nach unten gebogenen Zweigen, an deren Enden rundliche, dicht gepackte Blütentrauben sitzen, bis 4m hoch;
Blüte: hellgelb, schlank trichterförmig, bis 5,5cm lang;
Frucht: birnenförmig bis länglich-oval, bis 4,5cm lang und bis 1,5cm im Durchmesser; Samen schwarz, mit dünnen "Randflügeln", bis 4mm lang und bis 5mm breit;
Bemerkungen:

Die hier vorgestellte Agave cerulata ssp. nelsonii unterscheidet sich von den anderen Unterarten durch die blattreicheren Rosetten, die im Verhältnis breiteren bzw. kürzeren Blätter (nur 3x-6x so lang wie breit), die größeren Randzähne, den etwas kürzeren Enddorn, den stärker verzweigten Blütenstand (mit 15-20 Zweigen) und das weiter nördlich bis nordwestlich gelegene Verbreitungsgebiet (am nördl. und nordwestl. Rand des Verbreitungsgebiets von Agave cerulata) - wobei es jedoch unterschiedliche Meinungen darüber gibt, wie weit das Verbreitungsgebiet von Agave cerulata ssp. nelsonii nach Südosten reicht. So berichtet H. S. Gentry (2003) von zwei Aufsammlungen dieser Unterart im Bereich der Sierra San Borja (auf der Piste nördlich der Mision San Borja ca. 6km südlich der Kreuzung mit der Verbindungsstraße nach Bahia de los Angeles, sowie ca. 16km nördlich der Mission, siehe H. S. Gentry (2003), S. 410). Aufgrund der hohen Variabilität der in diesem Gebiet häufig vorkommenden Typunterart (siehe die Bemerkungen dort) und der geringen Wahrscheinlichkeit einer Verbreitungslücke von rund 200km Luftlinie halten wir diese Angabe jedoch für zweifelhaft. Allerdings bestätigen R. H. Webb + G. Starr (in Haseltonia Nr. 20 (2015)) diese Angaben und erweitern das Verbreitungsgebiet zudem um einzelne Populationen südlich und südöstlich von Catavina (wodurch die Lücke bis zur nördlichsten Population der Sierra San Borja deutlich schrumpft). Jene Erweiterungen führen dazu, dass sich die Verbreitungsgebiete von Agave cerulata ssp. cerulata und Agave cerulata ssp. nelsonii (nach R. H. Webb + G. Starr) deutlich überschneiden. Hinzu kommt, dass die Autoren an drei Standorten (östl. von El Rosario, bei Laguna Chapala und bei Agua de Higuera) beide Unterarten gemeinsam antrafen. Dies und die bereits von H. S. Gentry bei seiner ersten Bearbeitung der Gruppe um Agave cerulata im Jahr 1978 erwähnte, große Variabilität am Typstandort von Agave cerulata ssp. cerulata veranlasst sie dazu, Agave cerulata ssp. nelsonii in den Rang einer Varietät (Agave cerulata var. nelsonii) zurückzustufen. Diese Einstufung passt durchaus zu der Untersuchung von A. Navarro-Quezada et al. (in Heredity (2003)), die eine sehr enge Verwandtschaft von Agave cerulata ssp. nelsonii und Agave cerulata ssp. cerulata festgestellt haben. Allerdings ist die genetische Differenzierung von Agave cerulata ssp. dentiens gegenüber Agave cerulata ssp. cerulata und Agave cerulata ssp. nelsonii kaum stärker. Es wäre daher konsequent gewesen, wenn R. H. Webb + G. Starr auch diese zu einer Varietät zurückgestuft hätten (zumal es auf dem Festland und auf der Isla Angel de la Guarda Formen gibt, die der ssp. dentiens sehr ähnlich sehen).

G. Starr (2012) schreibt zudem, Agave cerulata ssp. nelsonii sehe ungefähr so aus, wie eine Hybride aus Agave cerulata ssp. cerulata und Agave shawii ssp. goldmaniana aussehen müsste. Besonders bei den graugrünen Formen der hier vorgestellten Unterart könnte man durchaus auf diese Idee kommen, jedoch findet sich im Bau des Blütenstands keinerlei Hinweis auf eine Beteiligung von Agave shawii ssp. goldmaniana. Da dies bei solch einer Hybride sehr unwahrscheinlich ist, halten wir jene Idee für eher abwegig. (Vielmehr finden sich dort, wo sich die Verbreitungsgebiete von Agave cerulata ssp. nelsonii und Agave shawii ssp. goldmaniana überschneiden, bisweilen Hybriden dieser beiden Unterarten - siehe das entsprechende Foto in F. Hochstätter (2015)).

Wahrscheinlicher ist, dass Agave cerulata ssp. nelsonii der sehr ähnlichen und manchmal kaum zu unterscheidenden Agave deserti ssp. deserti nahe steht. Von dieser unterscheidet sie sich (u. a.) durch den (besonders an älteren Blättern gut sichtbaren) braunen Ring an der Basis der Randzähne (allerdings haben wir bei Palm Springs (California, USA) mehrere Agave deserti ssp. deserti fotografiert, deren Randzähne an alten Blättern ebenfalls jenen braunen Ring an der Basis aufweisen), den bereits ab halber Höhe (statt nur im oberen Drittel bis Fünftel) und mit 15-20 (statt 6-15) Zweigen etwas stärker verzweigten Blütenstand, die wachsartige, weißliche bis hellgraue Bereifung der eher etwas kürzeren und schlankeren Samenkapseln und der höhere Sapogenin-Gehalt (wobei dieser von Probe zu Probe recht stark schwankt und für Agave deserti ssp. deserti nur wenige Werte vorliegen (siehe H. S. Gentry (2003), S. 370 und S. 382), weshalb wir uns nicht sicher sind, ob der Sapogenin-Gehalt wirklich dazu dienen kann, die beiden Arten voneinander zu unterscheiden). Aber nicht nur, dass sich die beiden Unterarten (besonders ohne Blütenstand) sehr ähnlich sehen - hinzu kommt auch, dass sich die Verbreitungsgebiete der beiden im südlichen Teil des Parque Nacional Sierra de San Pedro Matir berühren (wenn keine Fehlbestimmung der einen oder anderen Aufsammlung stattgefunden hat, was bei derart ähnlichen Unterarten ebenfalls denkbar ist) (*). Es besteht daher die Möglichkeit, dass die beiden Unterarten miteinander hybridisieren, was eine eindeutige Bestimmung jener Pflanzen noch schwieriger machen würde (**). Wir haben jedenfalls den Eindruck, dass es in diesem Zusammenhang noch einige Fragen zu klären gibt (z. B. ob es sich bei Agave cerulata und Agave deserti wirklich um zwei eigenständige Arten handelt (und nicht nur um Formen bzw. Unterarten einer Art), wo genau die Verbreitungsgrenzen der beiden verlaufen und ob Übergangsformen oder Hybriden zwischen den beiden vorkommen).

Tatsächlich ist es ausgesprochen schwierig, diesen sehr variablen Formenkreis in eine sinnvolle Struktur zu pressen. Wir sind uns sicher, dass das letzte Wort hierzu noch lange nicht gesprochen ist. Entsprechend zögerlich sind wir, wenn es darum geht, das durch H. S. Gentry etablierte System über Bord zu werfen, weshalb wir für die hier vorgestellten Pflanzen die Einstufung als Unterart zunächst beibehalten.

In Kultur verträgt Agave cerulata ssp. nelsonii problemlos volle Sonne und hohe Temperaturen. Das Substrat sollte durchlässig sein (rein mineralisch funktioniert bei uns gut) und die Wassergaben nicht zu reichlich.

 

(*) H. S. Gentry (2003) führt auf der Verbreitungskarte von Agave deserti (H. S. Gentry (2003), S. 385, Fig. 15.19) für Agave deserti ssp. deserti einen Standort knapp ostnordöstlich der Kreuzung des 115ten Längen- mit dem 30sten Breitengrad an. Sollte Agave deserti ssp. deserti tatsächlich so weit südlich vorkommen, dann würde dies bedeuten, dass sich die Verbreitungsgebiete der beiden Unterarten deutlich überschneiden, was die Wahrscheinlichkeit für Hybriden und Übergangsformen deutlich erhöhen würde. Allerdings lässt sich dieser Standort nicht durch die in den Exsiccatae der Deserticolae aufgeführten Aufsammlungen verifizieren (siehe H. S. Gentry (2003), S. 410 f.), weshalb wir diese Angabe als zweifelhaft ansehen und daher nur von einer Berührung der Verbreitungsgebiete im Bereich der Sierra San Pedro Matir ausgehen.

(**) In der Studie von A. Navarro-Quezada et al. (in Heredity (2003)) taucht eine der untersuchten Populationen von Agave deserti ssp. deserti (der Standort liegt bei Leyes de Reforma) in der Sektion von Agave cerulata auf - in unmittelbarer Nähe von Agave cerulata ssp. dentiens (für welche die Studie einen relativ breiten Genpool und eine schwache Differenzierung gegenüber den anderen Unterarten von Agave cerulata feststellt). Dieses Ergebnis könnte darauf hindeuten, dass es tatsächlich einen Genaustausch zwischen Agave deserti ssp. deserti und Agave cerulata gibt, auch wenn dies kein eindeutiger Beleg hierfür ist und die beteiligte Unterart von Agave cerulata unklar bleibt, zumal um Leyes de Reforma keinerlei Vorkommen von Agave cerulata bekannt sind (zwischen dieser und der nördlichsten Population von Agave cerulata ssp. nelsonii im südlichen Teil des Parque Nacional Sierra de San Pedro Matir liegen ca. 80km) - oder aber, dass die Pflanzen falsch bestimmt wurden und dass es sich bei dieser Population in Wirklichkeit um Agave cerulata (ssp. nelsonii?) handelt, was deren Verbreitungsgebiet deutlich nach Norden hin erweitern würde.

Literatur: T. Boeuf et al. (2017), S. 36; U. Eggli (Hrsg.) (2001), S. 21; H. S. Gentry (2003), S. 371 (Abbs. S. 372 + S. 373) + S. 410; Haseltonia Nr. 20 (2015), S. 64 ff. (insb. S. 80 f.); T. Heller (2003), S 68 ff.; Heredity Nr. 90 (2003), S. 220 ff.; F. Hochstätter (2015), Abs. V, S. 16; G. Starr (2012), S. 69 ff.;