Agave filifera ssp. multifilifera (B. Ullrich 1992)

 
 
 
 
 
 
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Beschreibung:

 

Synonyme: Agave angustissima (fälschlich so bezeichnet, dies ist eigentlich ein Synonym von Agave geminiflora; siehe B. Ullrich in KuaS 1/1991, S. 24 ff.), Agave multifilifera;
Heimat: Nordwestl. Mexiko; westl. Chihuahua, nördl. Sinaloa und südl. Sonora, evtl. auch in Durango (wird von vielen Autoren so angegeben, aber weder auf den Verbreitungskarten von H. S. Gentry noch von B. Ullrich findet sich dort ein Standort; nach diesen beiden gibt es dort nur ssp. schidigera); auf Felsen und felsigen Hängen, offen oder als Unterbewuchs in Kiefern- und Eichenwäldern in 1400m-2200m Höhe;
Wuchsform: einzeln, breit- bis halbkugelig, einen kurzen, deutlichen Stamm ausbildend (nur in Kultur?), bis ca. 1m hoch und bis ca. 1,5m im Durchmesser; ausgewachsene Pflanzen mit ca. 200 (und mehr) Blättern, diese (dunkel-)grün oder (bei sonnigem Stand) hell (gelblich-)grün bis rötlich, mit mehr oder weniger intensiver, weißer, oft V-förmiger Zeichnung (die vermutlich als Knospenabdruck der umgebenden Blätter während der Entwicklung innerhalb der zentralen Blattknospe entsteht), linealisch-lanzettlich (nahe der Basis am breitesten), anfangs (schräg) aufrecht, jedoch bald ausgebreitet bis (im Alter) schräg nach unten gerichtet, gerade oder häufig leicht nach oben gebogen, fest (jedoch trotzdem noch etwas biegbar) bis steif, die Ränder weiß bis hellbraun und in dünnen, weißlichen, oft gekräuselten Fasern abhaarend, in einen bis zu 2cm langen, pfriemlichen, braunen bis (an älteren Blättern) grauen Enddorn auslaufend, bis 80cm lang und bis 3,5cm breit;
Infloreszenz: aufsteigend bis (leicht schräg) aufrecht, ährig, schlank, die oberen Dreiviertel bis Vierfünftel dicht mit Blüten besetzt, wobei je 2-3 Blüten aus kleinen "Augen" entspringen, bis 6m hoch und (mit Blüten) bis 21cm im Durchmesser;
Blüte: grünlich bis gelblich-grün mit rosa angehauchten Spitzen, trichterförmig, bis 4,5cm lang; nach F. Hochstätter (2015) reicht die Blütezeit von Juni bis August;
Frucht: länglich-eiförmig, in eine Spitze auslaufend, bis 2,5cm lang und bis 1,2cm im Durchmesser; Samen schwarz, (mehr oder weniger) halbkreisförmig, mit einem schmalen, flügelartigen Rand, bis 4,5mm lang und bis 3mm breit;
Bemerkungen:

Die hier vorgestellte Unterart bildet das nördliche Ende des Verbreitungsgebiets von Agave filifera. Mit ihren bis ca. 1,5m großen Rosetten ist sie zugleich die größte Unterart, jedoch erreicht sie diese Größe nur an halbschattigen Standorten. In voller Sonne und an felsigen Standorten bleibt sie meist kleiner (bis ca. 1m im Durchmesser). Alle drei Unterarten sind sich recht ähnlich und auf den ersten Blick nur schwer voneinander zu unterscheiden. Am leichtesten dürfte hierbei noch die Unterscheidung von der Typunterart fallen, denn diese sprosst meist reich, bleibt deutlich kleiner (nur bis ca. 60cm im Durchmesser und der Blütenstand nur bis ca. 2,5m hoch), bildet kürzere (nur bis 3,5cm lange), rötliche Blüten und ihr Verbreitungsgebiet liegt deutlich weiter südöstlich (nach J. A. Vazquez-Garcia et al. (Hrsg.) (2007), S. 38 ff. und G. Hernández-Vera et al. (in JBRIT 1/1 (2007)) in Aguascalientes, Guanajuato, im südlichen Hidalgo, nordöstlichen Jalisco, nördlichen Est. Mexico und in Queretaro). Agave filifera ssp. multifilifera und Agave filifera ssp. schidigera wachsen hingegen beide einzeln. Allerdings wird die hier vorgestellte Unterart größer (1m-1,6m im Durchmesser statt 60cm-1m bei ssp. schidigera), die Blattform weicht ab (die breiteste Stelle an der Basis, darüber stetig schlanker werdend statt die breiteste Stelle ca. im unteren Drittel bis nahe der Mitte), ihr Blütenstand wird höher (bis 6m statt bis 3,5m hoch) und ihre Vorkommen liegen eher weiter nördlich bis nordwestlich (*).

Hinzu kommt, dass Agave filifera und ihre Unterarten Teil einer ganzen Gruppe sehr ähnlicher Agaven sind - zu erwähnen sind hier besonders Agave colimana und die ursprünglich gar als vierte Unterart von Agave filifera beschriebene Agave multiceps. Agave colimana unterscheidet sich von der hier vorgestellten Agave filifera ssp. multifilifera durch die abweichende Blattform (die breiteste Stelle nahe der Mitte) und die Farbe der abhaarenden Fasern (braun statt weißlich), den kleineren Blütenstand (nur bis 3m hoch), die sehr schlanken und bis zu 5cm langen Blüten und das deutlich weiter südlich gelegene Verbreitungsgebiet (in Colima und Jalisco) (**). Agave multiceps unterscheidet sich von Agave filifera ssp. multifilifera dadurch, dass sie reich sprosst, deutlich kleiner bleibt (nur bis 40cm im Durchmesser und der Blütenstand nur bis 1,35m hoch) und im Blütenbau abweicht (die Blüten bis 5,5cm lang). Zudem liegt ihr Vorkommen weiter südlich (im südlich-zentralen Sinaloa, nach J. A. Vazquez-Garcia et al. (Hrsg.) (2007), S. 61 auch in Nayarit).

Besonders die Entscheidung, Agave multiceps den Rang einer eigenständigen Art zuzuweisen, rückt das Problem der taxonomischen Einteilung in den Fokus des interessierten Betrachters. So ist Agave multiceps mit ihrer geringen Größe und ihrem Sprossverhalten Agave filifera ssp. filifera durchaus ähnlich - und die Beschreibung als Unterart von Agave filifera daher gut nachvollziehbar. J. A. Vazquez-Garcia et al. (Hrsg.) (2007, S. 61 f.) bewerten jedoch die Unterschiede im Blütenbau als so wichtig, dass sie die Pflanzen in den Art-Status erheben. Allerdings halten sie auch Agave filifera ssp. schidigera für eine eigenständige Art (die hier vorgestellte Agave filifera ssp. multifilifera findet in ihrem Artikel keine Berücksichtigung). Tatsächlich führt die Mehrheit der Autoren (auch H. S. Gentry (2003) (***), T. Heller (2003) und G. Starr (2012)) die Unterarten (soweit von ihnen behandelt) als eigenständige Arten. B. Ullrich versucht hingegen, die Arten entsprechend ihrer Verwandtschaft stärker zusammenzufassen und stellt daher (in BCSJ Vol. 10, Nr. 3 (Sept. 1992)) "A. multifilifera" und "A. schidigera" als Unterarten zu Agave filifera (****). Diese Einteilung findet sich auch bei U. Eggli (Hrsg.) (2001) (*****), F. Hochstätter (2015), T. Boeuf et al. (2017) und auf der Homepage von J. Etter + M. Kristen (www.agavaceae.com; Stand 08.01.2019). Allerdings deutet die DNA-Untersuchung von K. C. Gil-Vega et al. (in P. Colunga-Garcia Marin et al. (Hrsg.) (2007)) an, dass B. Ullrichs Einteilung womöglich falsch ist. So findet sich "A. schidigera" (zusammen mit Agave colimana und Agave ornithobroma) im Dendrogramm weit abseits von "A. filifera". Letztere scheint demnach eher in die Verwandtschaft von Agave nizandensis und "Agave yuccaefolia" (ein Synonym von Agave spicata; beide bisher Mitglied der "Amolae") zu gehören. Allerdings wurden von den "Filiferae" nur die hier genannten Arten untersucht. Eine endgültige Aussage über die verwandtschaftlichen Beziehungen der Gruppe ist daher nicht möglich. So werden wohl erst zukünftige DNA-Analysen Klarheit in diese Fragestellung bringen, und solange diese Frage nicht endgültig geklärt ist, folgen wir hier B. Ullrich (in BCSJ Vol. 10, Nr. 3 (Sept. 1992)) und führen "A. multifilifera" und "A. schidigera" als Unterarten von Agave filifera.

In Kultur ist Agave filifera ssp. multifilifera problemlos, wenn man darauf achtet, dass die Erde gut durchlässig ist und keine Staunässe entsteht (entsprechend ihres Vorkommens auf felsigen Hängen oder direkt auf Fels verträgt sie diese nur schlecht). Der Standort darf dabei sonnig bis halbschattig sein, jedoch bleiben die Pflanzen an sonnigen Standorten kompakter. Sagen ihr die Kulturbedingungen zu, dann wächst Agave filifera ssp. multifilifera mäßig schnell. Bei optimalen Bedingungen (frei ausgepflanzt in entsprechendem Klima) kann sie bereits nach ca. 15 Jahren zur Blüte kommen (ansonsten dürfte es eher die von H. S. Gentry (2003) geschätzten 18-25 Jahre dauern). Dank ihrer Herkunft (in höheren Gegenden der nördlichen Sierra Madre Occidental, in welchen bisweilen sogar Schnee fällt) verträgt die Unterart in den Wintermonaten bis zu -8°C (G. Starr (2012)). Allerdings sollte sie dann trocken stehen.

 

(*) Nach H. S. Gentry (2003) überschneidet sich das Verbreitungsgebiet ein Stück weit mit dem der ssp. schidigera (vgl. dazu H. S. Gentry (2003), Fig. 6.4 und Fig. 6.8 auf S. 105 und S. 109). Allerdings könnte die Ursache hierfür die Fehlbestimmung einiger schwierig zuzuordnender "multifiliferas" sein. So weist H. S. Gentry (2003) darauf hin, dass eine Unterscheidung dort, wo sich die Verbreitungsgebiete überschneiden, manchmal schwierig ist. Vor allem auf Felsen wachsende "multifiliferas" können leicht für schmalblättrige "schidigeras" gehalten werden (H. S. Gentry (2003), S. 115 f.). Interessant ist, dass die Verbreitungskarte von B. Ullrich hingegen eine klare Trennung der Verbreitungsgebiete zeigt (BCSJ Vol. 10, Nr. 3 (Sept. 1992), Map 1).

(**) Wobei sowohl H. S. Gentry (2003) (S. 103), als auch B. Ullrich (in BCSJ Vol. 10, Nr. 3 (Sept. 1992)) darauf hinweisen, dass die Blüten bei manchen Formen von Agave colimana (bei B. Ullrich "A. ortgiesiana") kürzer und breiter sind, wodurch sie sehr den Blüten von Agave filifera ssp. schidigera ähneln (H. S. Gentry (2003) (S. 104) spekuliert gar darüber, ob es womöglich zur Introgression von Genen der Agave filifera ssp. schidigera in den Genpool von Agave colimana gekommen sein könnte). B. Ullrich vermutet aus diesem Grund eine nahe Verwandtschaft zwischen Agave colimana und Agave filifera ssp. schidigera (was durch die Ergebnisse der DNA-Analyse von K. C. Gil-Vega et al. (in P. Colunga-Garcia Marin et al. (Hrsg.) (2007)) bestätigt wird; siehe P. Colunga-Garcia Marin et al. (Hrsg.) (2007), S. 23 ff.), verzichtet aber mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit weiterer Feldstudien bezüglich möglicher Übergangsformen darauf, Agave colimana als Unterart zu Agave filifera zu stellen.

(***) Wobei an dieser Stelle der Hinweis angebracht ist, dass es sich hierbei um einen unveränderten Nachdruck seines Werkes von 1982 handelt und dass der Artikel von B. Ullrich (in BCSJ Vol. 10, Nr. 3 (Sept. 1992)) im Jahr 1982 noch nicht existierte.

(****) Agave microceps war B. Ullrich noch nicht bekannt, da die Pflanzen erst 1995 beschrieben wurden.

(*****) Wobei U. Eggli (Hrsg.) (2001) auch Agave microceps noch als Unterart von Agave filifera führt. Allerdings stammt die Umkombination von J. A. Vazquez-Garcia et al. (Hrsg.) (2007) aus dem Jahr 2007 und war somit noch nicht bekannt.

Literatur: BCSJ Vol. 10, Nr. 3 (Sept. 1992), S. 61 ff.; T. Boeuf et al. (2017), S. 51; U. Eggli (Hrsg.) (2001), S. 29 f.; H. S. Gentry (1972), S. 46 ff.; H. S. Gentry (2003), S. 112 ff.; F. Hochstätter (2015), Abs. VIII, S. 47; G. Starr (2012), S. 148 ff.;